„Ende des ewigen Widerrufsrechts – neues Gesetz auf dem Weg“

Die Bundesregierung hat zur Umsetzung der Richtlinie 2014/17/EU über Wohnimmobilienkredite einen neuen Gesetzesentwurf beschlossen. Kernpunkt der Neureglung für Verbraucher ist es, dass das bisher bestehende „ewige Widerrufsrecht“ gestrichen werden soll. Am 07. September 2015 hat die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der weitreichende und teils verbraucherunfreundliche Konsequenzen haben dürfte. Es handelt sich insbesondere um die Novellierung des § 356b BGB, in welchem die Regelungen zu einem Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträge geregelt sind. Der Paragraph wird um eine entscheidende Unternorm ergänzt. Dabei heißt es im Wortlaut:

_„Das Widerrufsrecht bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag erlischt spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem Vertragsschluss.“_

Diese entscheidenden Änderungen wurden am 27.01.2016 durch eine Pressemitteilung (http://www.bmjv.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2016/01272016_Ewiges_Widerrufsrecht.html) des Bundeskabinetts bestätigt. Der Parlamentarische Staatssekretär für Verbraucherschutz Ulrich Kelber äußerte sich folgendermaßen dazu:

_„Mit der Regelung schaffen wir einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Interesse der Kreditwirtschaft an Rechtssicherheit und dem Interesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Wer seinen Vertrag widerrufen möchte, hat hierfür drei Monate Zeit. Damit schaffen wir Rechtssicherheit.“_

**Welche Verträge sind betroffen?**
Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch sind alle Darlehensverträge, deren Zweck in einer Baufinanzierung o.ä. besteht, also alle Immobiliar-Darlehensverträge. Bei einer falschen oder fehlenden Widerrufsbelehrung war es bislang möglich, den Vertrag zu widerrufen. Die neue Regelung soll auch bei den Verträgen gelten, welche zwischen 2002 und 2010 abgeschlossen wurden.

**Was bedeutet das konkret?**
Es ist in den nächsten Monaten noch möglich, ältere Verträge zu widerrufen, wenn keine oder eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung vorlag. Nach verschiedenen Schätzungen ist dies bei 80 % aller Widerrufsbelehrungen der Fall. Dies kann sich insbesondere dann rentieren, wenn man die Verträge in einer Zinshochphase abgeschlossen hat. Bei der gegenwärtigen Niedrigzins-Phase kann man zu sehr kostengünstigen Krediten gelangen und sich somit mehrere tausend Euro, gerechnet auf die Gesamtlaufzeit, sparen. Es ist jedoch entscheidend, dass man unzureichend über das Widerrufsrecht belehrt wurde.

**Was passiert, wenn der Vertrag nicht widerrufen wird?**
Wenn die Verträge bis März nicht geprüft und widerrufen werden, dann werden die Ansprüche auf Widerruf des Vertrages innerhalb von drei Monaten verjähren. Wenn man in der Zwischenzeit nicht tätig wird, dann ist man trotz falscher oder fehlender Widerrufsbelehrung an die Vertragsvereinbarung gebunden.

**Kann man sich auch nach März 2016 von einem Vertrag trennen?**

Das Gesetz bietet jedem Darlehensnehmer die Möglichkeit, sich von einem Darlehensvertrag zu trennen. Wenn man jedoch kein Widerrufsrecht mehr besitzt, dann muss in diesem Zuge eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung bezahlt werden. Man kann sich dann sozusagen aus dem Vertrag „rauskaufen“. 

**Wird durch die neue Regelung eine größere Rechtssicherheit geschaffen?**

Ob eine größere Rechtssicherheit geschaffen wird, ist sicherlich vom Blickwinkel ab. Die Banken und kreditvergebenden Stellen können dies sicherlich behaupten, da das Risiko, dass Verträge nach langer Laufzeit widerrufen werden, nahezu ausgeschlossen ist. Aus Sicht der Verbraucher wird die unsichere Rechtslage wohl eher intensiviert. Bislang handhabte es die Rechtsprechung bei Widerrufsrechten überwiegen so, dass eine richtige Belehrung über die Rechte des Verbrauchers nicht zu viel verlangt ist. Das Gesetz eröffnet auch die Möglichkeit, dass diese Belehrung nachgeholt wird. Verbraucher verlieren nunmehr nach einem Jahr wichtige Rechte, von denen sie im schlimmsten Fall nicht einmal wussten, dass sie diese überhaupt inne hatten.

**Wie sicher ist es, dass das Gesetz in der aktuellen Form in Kraft tritt?**
Viele Regelungen die durch den aktuellen Gesetzentwurf umgesetzt werden, sind Vorgaben welche sich in der Richtlinie finden. An diese ist der Gesetzgeber gebunden. Die Widerrufsfrist von einem Jahr und 14 Tagen, welche für Wohnimmobilienkredite nunmehr eingeführt werden soll, ist jedoch kein Teil der Richtlinie, sondern wurde vielmehr von der Bundesregierung ergänzt. Die Umsetzung scheint, trotz der europarechtlichen Bedenken, beschlossen zu sein.

**Eventuell Vorgehen bis zum EuGH notwendig**

Rechtsanwalt Dr. Sven Tintemann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht erinnert sich an eine andere Fristverkürzung im § 5 a VVG in der alten Fassung. Hierzu hatte der Fachanwalt zahlreiche Klagen zu den Gerichten eingereicht, letztlich mit dem Erfolg, dass der EuGH am Ende des Jahres 2013 entschied, dass die Vorschrift mit der Verkürzung der Widerrufsfrist bei Versicherungsverträgen gegen europäisches Recht verstoßen würde.

„_Es kann daher sein, dass der Gesetzgeber schon wieder eine neue Vorschrift einführt, ohne hinreichend über die europarechtlichen Konsequenzen nachzudenken. Meinen Mandanten würde ich in jedem Fall auch nach Inkrafttreten der Vorschrift raten, diese vor dem Hintergrund des Europarechts überprüfen zu lassen.“_

Auf der sicheren Seite ist in jedem Fall derjenige Bankkunde, der seine Immobiliardarlehen noch in den nächsten Monaten widerruft und bei Nichtanerkennung des Widerrufsrechts bis zum 21.06.2016 Klage einreicht.

Diesbezüglich kommt sicherlich noch viel Arbeit auf Rechtsanwälte zu, die sich auf diese Fragestellung spezialisiert haben.

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