„Wirksamer Widerruf von Verbraucherdarlehensverträgen nur bei vollständiger Übernahme der gesetzlichen Musterbelehrung“

Mit dem geplanten Gesetz zur Umsetzung der Richtlinien 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und Rates über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher plant der Gesetzgeber, bei Immobiliar-Verbraucherdarlehen eine absolute Erlöschungsregelung einzuführen, d.h., dass das Widerrufsrecht hier nach 1 Jahr und 14 Tagen spätestens erlöschen würde.

Vor diesem Hintergrund lassen derzeit ungeachtet der vorgesehenen Übergangsvorschriften viele Verbraucher ihre Darlehensverträge noch überprüfen, wie die Häufung an Gerichtsentscheidungen zu diesem Bereich in letzter Zeit zeigt.

**Hintergrund: Fiktionswirkung**

Eine der umstrittenen Rechtsfragen ist es hierbei, ab wann die Fiktionswirkung des § 14 Abs. 1 BGB-Info-Verordnung (BGB-InfoV) alte Fassung bzw. § 360 Absatz 3 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) aF greift. Hierhinter verbirgt sich Folgendes: 

Bis zum 12.06.2014 galt, dass die Frist zum Widerruf eines Darlehensvertrages von 14 Tagen erst begann, wenn dem Verbraucher spätestens bei Vertragsschluss eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung mitgeteilt wurde. Verstößt die Widerrufsbelehrung gegen die gesetzlichen Anforderungen, insbesondere machte sie missverständliche Angaben zum Fristbeginn (z.B. sah sie vor, dass die Widerrufsfrist „frühestens mit dem Erhalt dieser Belehrung“ beginne), so war die Belehrung fehlerhaft und die Widerrufsfrist begann noch nicht zu laufen. Der Vertrag kann und konnte daher noch immer widerrufen werden. Entsprach diese fehlerhafte Widerrufsbelehrung im Vertrag jedoch der gesetzlichen Musterbelehrung mit dem Stand des Vertragsschlusses, wie sie früher in der Anlage 2 zur BGB-InfoV sowie später in der Anl. 6 zum Art. 247 des Einführungsgesetzes zum BGB niedergelegt war, so wurde und wird fingiert, dass diese Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß war mit der Folge, dass der Verbraucher nur in den ersten 14 Tagen hätte widerrufen können. Seit Längerem in der Rechtsprechung streitig ist hierbei die Frage, in welchem Umfang die Bank die gesetzliche Musterbelehrung in ihr Vertragsformular übernommen haben musste. So wurde vor allem in der untergerichtlichen Rechtsprechung vertreten und wird weiterhin vertreten, dass nur wesentliche Abweichungen von der Musterbelehrung die Fiktionswirkung entfallen lasse.

**Oberlandesgericht Düsseldorf, I-17 U 139/11**

In diesem Sinne war auch ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf vom 07.12.2012 (Az. I-17 U 139/11): 

Hier hatte der Kläger die beklagte Bank auf Rückabwicklung aufgrund eines Widerrufs zweier Darlehnsverträge im Zusammenhang mit der Beteiligung des Klägers an zwei Medienfonds in Anspruch genommen. Auch hier war in der Widerrufsbelehrung die Formulierung „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ enthalten, sodass das OLG Düsseldorf bestätigte, dass die erteilten Widerrufsbelehrungen in inhaltlicher Sicht zu beanstanden waren. Dennoch sah das Gericht die Widerrufsbelehrungen aufgrund der Fiktion nach § 14 der BGB-Informationspflichten-Verordnung als wirksam an. Zwar seien hierin Abweichungen enthalten, diese seien jedoch unschädlich, da es keine „sachlichen Abweichungen gegenüber der Musterbelehrung“ seien.Anerkenntnisurteil durch Bundesgerichtshof 

Im Revisionsverfahren vor dem BGH hat dieser im Dezember 2015 nunmehr ein Anerkenntnisurteil gegen die beklagte Bank erlassen. Dies bedeutet wohl, dass die Bank aufgrund der Hinweise in der mündlichen Verhandlung eingesehen hat, das Gerichtsverfahren ansonsten zu verlieren, weil der BGH hier deutlich strengere Anforderungen an das Einhalten der gesetzlichen Musterbelehrung gestellt hat.

**Bundesgerichtshof, II ZR 163/14**

Dies ist folgerichtig, hatte der BGH doch bereits am 10.02.2015 zum Az. II ZR 163/14 entschieden, dass die Gesetzlichkeitsfiktion mit der Schutzwirkung des § 14 BGB-InfoV auch dann entfällt, wenn der Verwender Gestaltungshinweise des Verordnungsgebers in der von ihm verwendeten Widerrufsbelehrung abändert, die auf den konkreten Vertrag keine Anwendung finden.“

Sprich: Auch für das konkrete Vertragsverhältnis unwesentliche Aspekte dürfen nicht verändert werden. Dies gilt bspw. für die Veränderung der Belehrung über die Folgen eines finanzierten Geschäftes, selbst wenn im konkreten Fall kein finanziertes Geschäft vorlag.

**LG Düsseldorf, 8 O 222/14**

Dies hat das Landgericht (LG) Düsseldorf mit Urteil vom 16.12.2015 zum Az. 8 O 222/14 kürzlich noch einmal betont: „So hat die Beklagte im Rahmen ihrer Belehrung zu den finanzierten Geschäften den Satz 2 nicht – wie es die Musterbelehrung vorsieht – durch den für bei einem refinanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts vorgesehen Satz ersetzt, sondern diesen Satz 3 hinter dem zu ersetzenden Satz 2 hinzugefügt. Hierdurch hat die Beklagte die Musterbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen und in den Mustertext selbst eingegriffen. […] Auf die Frage, ob die Hinweise zu finanzierten Geschäften vorliegend überhaupt erforderlich gewesen sind, kommt es für die Beurteilung, ob die Beklagte das Muster vollständig verwendet hat, nicht an.“

Dies verdeutlicht, dass im Streit, wie vollständig die gesetzliche Widerrufsbelehrung zu übernehmen sei, um in den Genuss der Fiktionswirkung zu kommen, deutlich von der Seite ausgeschwenkt ist, dass eine vollständige Übernahme notwendig war und sämtliche Änderungen des Musters die Fiktionswirkung entfallen lassen.

**Fazit**

Diese Strenge in der Fiktionswirkung hat zur Folge, dass auch heute noch viele alte Darlehensverträge widerrufen werden können und sich eine Überprüfung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt durchaus lohnen kann.

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