BGH zu Klausel bei Berufungsunfähigkeitsversicherung

Der Kläger, ein Verbraucherverband, hatte gegen den Beklagten, einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, zunächst vor dem Landgericht Berlin Klage erhoben. Klagegegenstand war eine Klausel, welchen der Beklagten in seinen allgemeinen Versicherungsbedingungen verwendet. Diese Klausel hatte folgenden Inhalt:

*„Als versicherter Beruf im Sinne der Bedingungen gilt die vor Eintritt des Versicherungsfalls zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit mit der Maßgabe, dass sie zu mindestens 90 Prozent als Schreibtischtätigkeit in Büro, Praxis oder Kanzlei ausgeübt wird. Im Falle einer BU-Leistungsprüfung erfolgt die Bemessung der Berufsunfähigkeit ausschließlich auf dieser Basis.“*

Das Landgericht Berlin gab dem Verbraucherverband Recht und bewertet diese Klausel als unwirksam und untersagte dem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit sowohl die Verwendung der Klausel als auch ein Berufen darauf bei der Überprüfung des Eintritts der Leistungspflicht des Berufsunfähigkeitsversicherers.

Dies ließ sich der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit nicht gefallen und ging in die Berufung vor das Kammergericht Berlin. Das Kammergericht Berlin bestätigte die Auffassung des Landgerichts Berlin und verhalf der eingelegten Berufung nicht zum Erfolg. Jedoch ließ das Kammergericht Berlin aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung bezogen auf die Auslegung von Versicherungsklauseln die Revision zum Bundesgerichtshof zu.

So musste sich nun der Bundesgerichtshof mit der Klausel befassen. Am 15. Februar 2017 verkündete er zum Aktenzeichen IV ZR 91/16 das Urteil.

**Was hat der Bundesgerichtshof entschieden?**

Der Bundesgerichtshof hat sich vollumfänglich der Auffassung des Landgerichts Berlin und des Kammergerichts Berlin angeschlossen. Er ist ebenfalls der Auffassung, dass die von dem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit verwendete Klausel unwirksam ist und sich dieser Verein damit auf die Wirksamkeit der Klausel nicht berufen kann.

**Worauf stützt der Bundesgerichtshof seine Entscheidung?**

Das Versicherungsvertragsrecht ist dadurch charakterisiert, dass sich der Inhalt der Versicherungsverträge fast ausschließlich aus den Allgemeinen Versicherungsbedingungen ergibt.

Bei den Allgemeinen Versicherungsbedingungen handelt es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen, die von den Versicherern für eine Vielzahl von Verträgen gestellt werden. Sie sind damit Allgemeine Geschäftsbedingungen, wie sie fast jedem Vertrag zugrunde liegen.

Das Charakteristische für Allgemeine Vertragsbedingungen ist die Einseitigkeit ihrer Auferlegung und der Umstand, dass der andere Vertragspartner, welcher den Vertrag abschließen will, auf die Formulierung bzw. Ausgestaltung der Vertragsklauseln keinen Einfluss nehmen kann.

Haben Sie schon einmal als angehender Versicherungsnehmer versucht, eine Klausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen ändern zu lassen, bevor Sie den Versicherungsantrag unterschreiben bzw. hatten Sie vor Vertragsschluss überhaupt ausreichend Gelegenheit sich die Vertragsbedingungen im Einzelnen durchzulesen? Wohl eher nicht!

Dies ist auch dem Bundesgerichtshof bekannt. Aus diesem Grund ist es bereits auch seit 1993 ständige Rechtsprechung, dass die Allgemeinen Versicherungsbedingungen so auszulegen ist, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung der erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Entscheidend ist dabei, dass es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen ankommt.

Unter diesem Blickwinkel hat der Bundesgerichtshof die Klausel des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit dann auch geprüft.

Ergebnis: Der Bundesgerichtshof kam zu dem Schluss, dass der Versicherer mit dieser Klausel keinen konkreten Beruf mehr versichern will, sondern lediglich eine abstrakte Schreibtischtätigkeit mit einem bestimmten Prozentsatz. Nach der zutreffenden Ansicht des Bundesgerichtshofs handelt es sich damit nicht mehr um eine klassische Berufsunfähigkeitsversicherung, sondern nur noch um eine modifizierte Erwerbsunfähigkeitsversicherung.

Dies ist jedoch für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht erkennbar, was zur Unwirksamkeit der Klausel führt.

**Welche Folgen hat diese Feststellung des Bundesgerichtshofs?**

Der Versicherer darf sich bei Vorliegen einer unwirksamen Klausel nicht mehr auf diese berufen. Dies führt zum einen dazu, dass er den Eintritt des Versicherungsfalls „Berufsunfähigkeit“ nicht mehr mit der Begründung zurückweisen kann, dass diese noch gar nicht eingetreten ist. Zum anderen muss der Versicherer nunmehr anhand der konkreten Berufsausübung prüfen, ob Berufsunfähigkeit eingetreten und er damit zur Leistung aus dem Versicherungsvertrag verpflichtet ist.

**Fazit:**

Es ist leider der Regelfall, dass die Berufsunfähigkeitsversicherer sich gerne ihrer Leistungspflicht entziehen und hierzu auf Klauseln in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen verweisen, wonach sie nicht leisten müssen. Jahrelang hat der Versicherungsnehmer jedoch treu und brav seine Prämien gezahlt, um für den Fall der Fälle hinsichtlich seines Lebensunterhalts abgesichert zu sein.

Nicht immer hat der Berufsunfähigkeitsversicherer Recht mit einer Ablehnung des Versicherungsfalls. Denn die eine oder andere Klausel auf die er sich beruft, hält einer Kontrolle durch die Gericht oftmals nicht stand.

Die Rechtsanwälte der Kanzlei AdvoAdvice Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB helfen betroffenen Versicherungsnehmern, Ihre Ansprüche gegenüber dem Berufsunfähigkeitsversicherer durchzusetzen und so zu Ihrem Recht zu kommen.

Gerne beraten wir Sie und schauen uns Ihrer Vertragsunterlagen im Rahmen einer ersten rechtlichen Überprüfung an. Kontaktieren Sie uns.

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