Die Flut an ober- und höchstrichterlicher Entscheidung reißt nicht ab. Aktuell setzte sich der Bundesgerichtshof am 21.2.2017 mit einer weiteren typischen Formulierung in Widerrufsbelehrungen auseinander:
*„Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem Ihnen*
*- eine Ausfertigung dieser Widerrufsbelehrung*
*- die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrags*
*zur Verfügung gestellt wurden.“*
Nachdem der Kunde bei vorzeitiger Darlehensauflösung die von der Bank verlangte Vorfälligkeitsentschädigung iHv 4.569,82 EUR nur unter Vorbehalt gezahlt hatte, widerrief er einen Monat später den Darlehensvertrag und begehrte klageweise die Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung. Das Amtsgericht Krefeld wies die Klage ab (Urteil vom 24.9.2015 – 12a C 120/14). Die hiergegen gerichtete Berufung wies das Landgericht Krefeld zurück (Urteil vom 1.7.2016 – 1 S 89/15), weil der Fristbeginn jedenfalls unter Berücksichtigung, dass beide Parteien bei der Vertragsunterzeichnung präsent waren, zurück.
Der Bundesgerichtshof stärkte jedoch mit Urteil vom 21.2.2017 – XI ZR 381/16 die Rechte der Verbraucher: Die Widerrufsbelehrung sei unwirksam, da sich aus der Formulierung zum Beginn der Widerrufsfrist nicht hinreichend deutlich ergebe, dass das Anlaufen der Frist die Abgabe der Vertragserklärung voraussetze. Dass beide Parteien anlässlich eines Präsenzgeschäfts bei der Vertragsunterzeichnung zugegen gewesen sein und die Widerrufsbelehrung daher übereinstimmend stillschweigend dahingehend verstanden haben können, der Fristbeginn setze eine Vertragserklärung voraus, sei unerheblich. Denn der Verbraucher sei zu seinen Gunsten zwingend in Textform (und nicht nur mündlich) zu belehren, so dass der Inhalt der schriftlichen Widerrufsbelehrung nicht anhand eines konkludenten gemeinsamen Verständnisses der Vertragsparteien korrigiert werden könne. Auch auf die Kausalität eines Belehrungsfehlers komme es nach dem Gesetz nicht an.
Schließlich entschied der Bundesgerichtshof den zwischen mehreren Oberlandesgerichten bestehenden Streit, ob auch nach Rückzahlung des Darlehens ein Widerruf noch möglich sei, erneut zugunsten des Verbrauchers: Rechtlich sei auch nach vollständiger Darlehensrückzahlung ein Widerruf möglich (so bereits Urteil vom 12.7.2016 – XI ZR 501/15), sofern hierdurch kein besonderer Vertrauenstatbestand geschaffen wurde und der Grundsatz von Treu und Glauben ausnahmsweise einem Widerruf entgegen stünde.
Rechtsanwalt Klevenhagen, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und bei AdvoAdvice Rechtsanwälte mbB zuständig für den Bereich des Widerrufs von Darlehensverträgen kommentiert: „Erfreulich ist, dass sich der BGH nicht von seiner bisher recht klaren und auch verbraucherfreundlichen Rechtsprechung abbringen lässt. Es bleibt dabei, dass auch nach Rückzahlung des Darlehens der Widerruf möglich ist. Zudem bleibt Textformerfordernis eben Textformerfordernis. Dies wird nicht durch einen Abschluss des Darlehens bei der Bank oder beim Berater vor Ort relativiert.