Man hat den Eindruck, als entscheide der Bundesgerichtshof in letzter Zeit primär Widerrufsfälle: Im Oktober 2016 entschied der Bundesgerichtshof über den Widerruf bei mehreren Darlehensnehmern (Urteil vom 11.10.2016 – XI ZR 482/15). Im November 2016 erklärte der Bundesgerichtshof die Formulierung in Widerrufsbelehrungen, die Widerrufsfrist beginne „nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hat“ als „für sich klar und verständlich“ und die Belehrung daher als wirksam (Urteil vom 22.11.2016 – XI ZR 434/15). Im Dezember 2016 äußerte sich der Bundesgerichtshof grundlegend zum Streitwert bei Widerrufsfällen (Beschluss vom 19.12.2016 – XI ZR 539/15). Im Januar 2017 nahm der Bundesgerichtshof zum Anspruch auf Freigabe einer Sicherheit nach Widerruf des Darlehensvertrages Stellung (Beschluss vom 17.01.2017 – XI ZR 170/16) und bestätigte erneut, dass bei einer Mehrheit von Darlehensnehmern kein ausdrücklicher Hinweis in der Widerrufsbelehrung erforderlich sei, jeder für sich könne seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung widerrufen (Beschluss vom 24.01.2017 – XI ZR 66/16).
Am 21.02.2017 traf der BGH nun zwei weitere Entscheidungen und erklärte in der hier zu besprechenden Entscheidung die Erhebung einer Feststellungsklage, das Darlehen sei wirksam widerrufen worden, grundsätzlich für unzulässig (Versäumnisurteil vom 21.02.2017 – XI ZR 467/15): Die Zulässigkeit der Feststellungsklage scheitere am Vorrang der Leistungsklage. Das Begehren, die Umwandlung eines Verbraucherdarlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis feststellen zu lassen, decke sich in Fällen wie dem vorliegenden, dem kein verbundener Vertrag zugrunde lag, wirtschaftlich mit dem Interesse an der Rückgewähr der auf den Verbraucherdarlehensvertrag erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen, die zumutbar beziffert werden können. Insoweit verlangt der Bundesgerichtshof von jedem Verbraucher, vor einer Klage nach den – teils unterschiedlichen – Berechnungsmethoden für die nach Widerruf wechselseitig zu erstattenden Beträge, diese ausrechnen zu lassen.
Inhaltlich hat der Bundesgerichtshof die gängige Formulierung in Widerrufsbelehrungen
*„Die Frist beginnt einen Tag, nachdem Ihnen*
*- ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung,*
*- eine Vertragsurkunde, Ihr schriftlicher Darlehensantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder Ihres Darlehensantrages, jeweils einschließlich der Allgemeinen Darlehensbedingungen,*
*- die Informationen, zu denen die [… Bank] nach den Vorschriften über Fernabsatzverträge (§ 321c Abs. 2 Nr. 1 BGB iVm § 1 BGB InfoV) verpflichtet ist,*
*zur Verfügung gestellt wurden, nicht jedoch vor dem Tag des Abschlusses des Darlehensvertrages.“*
entgegen einiger untergerichtlicher Entscheidungen (die darauf verwiesen haben, der Verbraucher sei juristischer Laie und kenne die einschlägigen Paragraphen nicht) für wirksam erklärt: Eine Verweisung auf eine konkret bezeichnete Vorschrift stelle, jedenfalls wenn der Gesetzestext wie hier das Bürgerliche Gesetzbuch und die BGB-Informationspflichten-Verordnung – für jedermann ohne weiteres zugänglich sei, keinen Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot dar, sondern diene im Gegenteil der Verständlichkeit, Übersichtlichkeit und Vollständigkeit der Belehrung.
Rechtsanwalt Dr. Tintemann, Gründungspartner der Kanzlei AdvoAdvice Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, kommentiert die Entscheidung des BGH wie folgt: „Es war eigentlich schon abzusehen, dass eine bloße Feststellungsklage auf Wirksamkeit des Widerrufs durch die Obergerichte für unzulässig bewertet werden würde. Die meisten fachlich versierten Kollegen dürfen hier wohl auch richtig gehandelt und Leistungsklage eingereicht haben. Bei den Kollegen, die lediglich auf Feststellung geklagt haben und bei denen die Mandanten nunmehr ggf. leer ausgehen, stellt sich leider die berechtigte Frage nach einer anwaltlichen Haftung. Der Vorrang der Leistungsklage wurde nämlich nicht erst am 21.02.2017 vom BGH frisch erfunden, sondern galt eigentlich schon immer.“
Betroffene, deren Darlehen widerrufen und die auf anwaltlichen Rat lediglich auf Feststellung und nicht auf Leistung geklagt haben, müssen daher erstinstanzlich ihre Klagen dringend umstellen. Sollte es hierfür zu spät sein, sollte eine Beratung zum Thema Anwaltshaftung / Anwaltsregress durchgeführt werden. Auch hierfür steht die Kanzlei AdvoAdvice Partnerschaft von Rechtsanwälten bei Bedarf gerne zur Verfügung.
Es bleib abzuwarten, welche Rechtsfragen aus dem Bereich des Darlehenswiderrufsrechts den Bundesgerichtshof als nächstes beschäftigen werden. Am 9.5.2017 wird es erst einmal um die Rechtmäßigkeit von „Kontogebühren“ bei Bauspardarlehen gehen.