# Einleitung
Viele Menschen schließen bei der Aufnahme eines Kredits einen sogenannten Immobiliardarlehensvertrag ab. Dies ist ein Darlehensvertrag, der durch ein Grundpfandrecht wie eine Hypothek (§ 1113 BGB), eine Grundschuld (§ 1191 BGB) oder eine Rentenschuld (§ 1199 BGB) gesichert ist. „Banken haben in der Vergangenheit sehr häufig Fehler in Bezug auf die Widerrufsbelehrung bei Verbraucherdarlehensverträgen gemacht und somit den Kunden unfreiwillig ein verlängertes Widerrufsrecht eingeräumt“, erklärt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Kim Oliver Klevenhagen, Partner der für die unter Anderem auf Immobilienrecht spezialisierte Anwaltskanzlei AdvoAdvice Rechtsanwälte mbB.
Nach alter Gesetzeslage stand in sämtlichen Widerrufsfällen den Verbrauchern nämlich ein unbefristetes Widerrufsrecht zu. Da sich jedoch viele Darlehensnehmer dies zum Nachteil der Banken zu Nutze machten, indem sie aus beliebigen Gründen den Vertrag beenden wollten, wurde durch den Art. 229 § 38 Abs. 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) dieser Möglichkeit ein Ende bereitet. Diesem zufolge erlischt das Widerrufsrecht bei einem zwischen dem 1.8.2002 und dem 10.6.2010 geschlossenen Immobiliardarlehensvertrag mit fehlerhafter Widerrufsbelehrung spätestens drei Monate nach dem 21.3.2016.
# Urteil des Landgerichts Stuttgart zu Altfällen
Das Landgericht Stuttgart entschied am 12.01.2017 (Aktenzeichen: 25 O 259/16) hierzu klarstellend, dass mit „drei Monate(n) nach dem 21. März 2016“, wie es in Art. 229 § 38 Abs. 3 EGBGB heißt, der 20.06.2016, 24:00 Uhr gemeint ist und nicht, wie der Wortlaut vermuten lässt, der 21.06.2016. Als Begründung hierfür führte das Gericht an, dass der Sinn des Gesetzes sei, nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie am 21.03.2016 um 00:00 Uhr genügend Bedenkzeit über die Ausübung ihres Widerrufsrechts zu geben. Durch den Zeitpunkt des Inkrafttretens mit dem Beginn des 21.03.2016 ist nach Auffassung des Landgerichts schon dieser Tag für die Berechnung der Widerrufsfrist mit zu berücksichtigen. Dies dürfte für viele Verbraucher ein großes Problem darstellen, da davon auszugehen ist, dass viele im Vertrauen darauf, dass die Frist wie vom Wortlaut suggeriert erst am 21.06.2016 abläuft, ihren Vertrag auch erst an diesem Tag kündigten. Der Auslegung des Landgerichts Stuttgart zufolge hätten diese Verbraucher ihre den Vertrag zustande bringenden Willenserklärungen nicht wirksam widerrufen und wären an den Vertrag gebunden. Diese Entscheidung ist bislang jedoch noch nicht rechtskräftig, sodass für Verbraucher, die ein solches Darlehen erst am 21.6.2016 widerriefen, noch die Hoffnung besteht, dass der Bundesgerichtshof hier anders entscheiden wird. Des Weiteren ist das Widerrufsrecht für Darlehensnehmer noch nicht erloschen, denen gar keine oder nur eine extrem abgewandelte und rudimentäre Widerrufsbelehrung zuteilwurde.
# Jetzige Gesetzeslage
Der jetzigen Gesetzeslage zufolge steht dem Immobiliardarlehensnehmer, der eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung erhält weiterhin ein verlängertes Widerrufsrecht zu, jedoch erlischt dieses gemäß § 356b Abs. 2 Satz 4 BGB spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss. „Vor wenigen Tagen rief mich Mandant an, der einen Immobiliardarlehensvertrag geschlossen hatte. Wie sehr viele Darlehensnehmer, die sich an uns wenden, war er nur unzureichend über sein gesetzliches Widerrufsrecht aufgeklärt worden“, schildert Rechtsanwalt Klevenhagen. „In solchen Fällen ist es von elementarer Wichtigkeit, dass sich die Mandanten so früh wie möglich an uns wenden, da der neuen Gesetzeslage zufolge auch bei unzureichender Aufklärung, das Widerrufsrecht erlischt“, erklärt RA Klevenhagen, der mit seinem Team bereits eine Vielzahl von Fällen bearbeitet hat. Verbrauchern, die einen Immobiliardarlehensvertrag geschlossen haben, und darüber nachdenken diesen zu widerrufen, sollten sich daher unbedingt frühstmöglich an einen spezialisierten Rechtsanwalt wenden, um die Möglichkeit eines Widerrufs noch vor Erlöschen des Widerrufsrechts zu erörtern.
# Fazit
Der jüngeren Rechtsprechung zufolge ist die Frist für den Widerruf sogenannter „Altfälle“, bei denen fehlerhaft über das Widerrufsrecht belehrt wurde, am 20.06.2016 abgelaufen. Diese Entscheidung ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Für Immobiliardarlehensverträge, die nach dem 10.06.2010 geschlossen wurden, besteht durch eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung ein Widerrufsrecht von einem Jahr und zwei Wochen. Darlehensnehmern, die einen Widerruf in Erwägung ziehen, sollten daher möglichst früh den Rat eines Anwalts suchen.