Im Jahr 2015 haben allein die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärzteschaft in 2.132 Fällen einen Behandlungsfehler angenommen. Zwar ist Dr. Crusius, dem Vorsitzenden der Ständigen Konferenz der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Bundesärztekammer, darin zuzustimmen, dass „überall wo Menschen arbeiten, Fehler passieren“. Passieren diese der Ärzteschaft, so sind die Folgen für die betroffenen Patienten und Patientinnen jedoch durchaus erheblich. Vor diesem Risiko versuchen Patienten sich teils mit Zusatzversicherungen oder besonderen Vereinbarungen zu schützen. So kann etwa eine ausdrückliche Chefarztbehandlung vertraglich geregelt werden, da Chefärzten doch zumeist mehr Vertrauen entgegenbracht wird, als vermeintlich unerfahreneren oder weniger qualifizierten Kollegen.
**Behandlung durch stellvertretenden Oberarzt**
Doch das setzt voraus, dass sich die Ärzte auch an die Vorgaben halten. Welche Folgen es für Arzt bzw. Klinik haben kann, wenn trotz vereinbarter Chefarztbehandlung ein anderer Arzt eine Operation vornimmt, zeigt ein jüngst entschiedener Fall: Trotz Vereinbarung, nur durch den Chefarzt behandelt zu werden, wurde der Patient an der Hand vom stellvertretenden Oberarzt und nicht vom Chefarzt operiert. Postoperativ stellten sich beim Patienten an der operierten Hand erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen ein. Ob der operierende stellvertretende Oberarzt Fehler bei der Operation gemacht hat, blieb zwar unklar. Dennoch erkannte der Bundesgerichtshof (BGH) nun mit Urteil vom 19.07.2016 zum Az. VI ZR 75/15 einen Schmerzensgeldanspruch zu.
**Einwilligung rechtswidrig**
In der Rechtsprechung ist seit Jahrzehnten anerkannt, dass jeder ärztliche Eingriff, z.B. der Schnitt des Operateurs oder der Einstich der Spritze, an sich eine strafbare Körperverletzung darstellt, unabhängig davon, ob der Eingriff ordnungsgemäß (d.h. de lege artis) durchgeführt und erfolgreich war oder nicht. Es liege vielmehr in der Hand des Patienten, in den Eingriff ordnungsgemäß einzuwilligen. Nur diese Sichtweise entspricht dem Schutz der Privatautonomie des Patienten und wird dem Schutz vor aufgedrängten ungewollten Eingriffen gerecht. Eine rechtfertigende Einwilligung verlangt jedoch, dass der Patient frei sowie in Kenntnis aller maßgeblichen Umstände die Einwilligung erklärt hat. Entscheidende Voraussetzung einer Einwilligung in ärztlichen Heileingriff ist wegen der Komplexität sowie mangels Allgemeinkundigkeit von Ablauf, Risiken und Behandlungsalternativen daher die vorherige Aufklärung über alle maßgeblichen Umstände (§ 630e BGB). Der Patient ist hierbei einerseits so ausführlich über den Befund sowie über Art, Chancen und Risiken des Eingriffs aufzuklären, dass ein verständiger Mensch in die Lage versetzt wird, Risiko und Tragweite des Eingriffs abzuschätzen. Hierzu zählt auch die Person des behandelnden Arztes, da man sich als Patient in dessen Hand begibt. Folgerichtig hat der BGH nun entschieden: „Erklärt der Patient in Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts, er wolle sich nur von einem bestimmten Arzt operieren lassen, darf ein anderer Arzt den Eingriff nicht vornehmen. Ist ein Eingriff durch einen bestimmten Arzt, regelmäßig den Chefarzt, vereinbart oder konkret zugesagt, muss der Patient rechtzeitig aufgeklärt werden, wenn ein anderer Arzt an seine Stelle treten soll. Fehlt die wirksame Einwilligung in die Vornahme des Eingriffs, ist der in der ärztlichen Heilbehandlung liegende Eingriff in die körperliche Integrität rechtswidrig.“
War die Einwilligung damit auf die Vornahme der Operation durch den Chefarzt begrenzt, so lag für die Operation durch den stellvertretenden Oberarzt keine wirksame Einwilligung vor. Unabhängig davon, ob der Eingriff ordnungsgemäß erfolgte, könne der bewusste Eingriff in den Körper des Patienten ohne Einwilligung nicht sanktionslos bleiben, zumal die Klinik das Vertrauen des Patienten enttäuscht habe.
**Fazit**
Dieser Fall zeigt einmal mehr, welche hohen Anforderungen an die Aufklärung und damit Einwilligung in einen ärztlichen Eingriff existieren. Hier liegt Potential für viele Fehlerquellen. Diese gilt es daher auch zu berücksichtigen, wenn mal eine Operation im Ergebnis schiefläuft und der Patient Behandlungskosten sowie Schmerzensgeld begehrt. Mögen nur umfangreiche Gutachten klären können, ob der Eingriff aus medizinischen Gesichtspunkten ordnungsgemäß abgelaufen ist, aus der Patientenakte lassen sich Aufklärungsfehler viel leichter feststellen. Ein nicht zu unterschätzender Ankerpunkt im Arzthaftungsrecht!
Wenn eine Klinik gegen den ausdrücklichen Patientenwunsch der Chefarztbehandlung verstößt, muss diese sich künftig auf Schadensersatzansprüche gefasst machen, egal, ob der Eingriff durch den anderen Behandler erfolgreich und kunstgerecht war, oder nicht.
Zudem drohen dem Behandler, der ohne Einwilligung die OP durchführt auch persönliche strafrechtliche sowie berufsrechtliche Konsequenzen. Es bleibt daher zu hoffen, dass die Entscheidung des BGH dazu führt, dass Verstöße gegen den Patientenwillen künftig nicht mehr vorkommen. Richtig ist, dass diese auf keinen Fall sanktionslos bleiben können.