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author: dr-sven-tintemann
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Das Oberlandesgericht Schleswig hat in einer aktuelle Entscheidung (Urteil vom 02.07.2021 – Az.: 17 U 15/21) entschieden, dass die Schufa Holding AG zur Löschung des Merkmals der Restschuldbefreiung mit Ablauf von sechs Monaten nach Veröffentlichung der Daten verpflichtet ist. Damit konnten die Experten der Kanzlei AdvoAdvice deutschlandweit erstmalig ein wegweisendes Urteil unter der DSGVO zu der Frage erstreiten, wie lange das Merkmal der Restschuldbefreiung gespeichert werden darf. Das einzig bekannte Urteil, welches zuvor von einer anderen Kanzlei vor dem LG Frankfurt/Main (Urt. v. 20.12.2018 – 2-05 O 151/18) erstritten wurde, nahm maßgeblich die besonderen Umstände des dortigen Einzelfalles ins Visier.
Dem OLG Schleswig ist offenkundig bewusst, dass es sich um eine richtungweisende Entscheidung handelt und hat insofern konsequent die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Die Schufa Holding AG hat daher die Möglichkeit das Urteil höchstrichterlich überprüfen zu lassen.
**Wie war die Situation mit der Restschuldbefreiung bisher?**
In Deutschland können Betroffene, die ihre Schulden nicht mehr begleichen können, ein Insolvenzverfahren durchführen. Bis vor Kurzem war die Länge dieses Verfahrens insgesamt ca. 6 Jahre. Die Länge des Verfahrens bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung wurde kürzlich durch den Gesetzgeber in der Insolvenzordnung auf drei Jahre reduziert.
Am Ende des Insolvenzverfahrens können Schuldner die sog. Restschuldbefreiung beantragen. Das bedeutet, dass die Schulden, welche vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, mit diesem Beschluss erlassen werden. Diese Entscheidung wird nach den Regeln der Insolvenzbekanntmachungsverordnung auf der Webseite www.insolvenzbekanntmachungen.de veröffentlicht. Dort sind die Daten für bis zu sechs Monate gespeichert.
Die Schufa Holding AG übernimmt diese Daten und speichert diese in ihrem Datenbestand. Nach Ansicht der Schufa Holding AG ist dieses Merkmal wichtig, da die Schuldner im Zeitpunkt des Beschlusses vermögenslos seien und daher eine größere Gefahr einer Neuverschuldung bestehe. Davor müssten die Mitglieder der Schufa Holding AG gewarnt werden.
**Dürfen Daten zur Restschuldbefreiung verarbeitet werden?**
Bis Mai 2018 galt das alte Bundesdatenschutzgesetz. Danach war es Unternehmen grundsätzlich gestattet, Daten aus sog. „allgemein zugänglichen Quellen“ zu übernehmen. Nach den Speicherfristen des alten Bundesdatenschutzgesetzes mussten diese Daten nach drei Jahren gelöscht werden. Ob dieses Vorgehen unter dem alten Bundesdatenschutzgesetz rechtmäßig war, ist seit jeher umstritten (vgl. Tintemann/Gärtner, VuR 2012, 54-58). Gleichzeitig war die Rechtsprechung maßgeblich der Auffassung, dass die Speicherung des Merkmals „Restschuldbefreiung erteilt“ nach dem alten BDSG rechtmäßig sei (insbesondere OLG Frankfurt, Urt. v. 14.12.2015 – 1 U 128/15).
Seit Mai 2018 gilt die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), welche die Vorschriften für Datenübermittlungen europaweit regelt und harmonisiert.
In der DSGVO besteht einerseits keine direkte Privilegierung für die Verarbeitung von Daten aus allgemein zugänglichen Quellen mehr. Andererseits ist auch keine konkrete Löschfrist im Gesetz. Vielmehr müssen Daten gelöscht werden, wenn die Verarbeitung beispielsweise unrechtmäßig oder nicht mehr notwendig ist.
Um eine nachvollziehbare Frist zur Löschung von Daten zu gewährleisten, haben die verschiedenen Auskunfteien einen Verhaltenskodex ausgehandelt. Aufgrund der dort geregelten Fristen, ging die Schufa Holding AG bisher davon aus, dass die Daten über die Restschuldbefreiung erst nach drei Jahren zu löschen seien. Gleichzeitig stellt der Verhaltenskodex klar, dass mit der vereinbarten Löschfrist keine Wertung zu der Frage besteht, ob die Daten überhaupt verarbeitet werden dürfen.
Diese Historie hat dazu geführt, dass die Schufa Holding AG und andere Auskunfteien die Daten über die Restschuldbefreiung in ihren Datenbestand aufgenommen und für drei Jahre gespeichert haben. Eine Vielzahl an landgerichtlichen Urteilen und einige Entscheidungen von Oberlandesgerichten ging auch unter der DSGVO von einer rechtmäßigen Verarbeitung aus. Dabei bezogen sich die Entscheidungen argumentativ zumeist direkt oder indirekt auf die Entscheidungen, welche zum alten Bundesdatenschutzgesetz ergangen waren.
**OLG Schleswig schlägt neuen Kurs ein – Löschung nach sechs Monaten**
In dem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig hat sich das Gericht mit einer großen Menge an Argumenten und Rechtsansichten auseinandergesetzt. Zunächst stellte das Gericht darauf ab, dass die Verarbeitung des Merkmals der Restschuldbefreiung durch die Beklagte nur anhand einer Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO erfolgen könne und eine andere Rechtsgrundlage nicht ausreichend sei.
Die Verarbeitung der Daten sei auch grundsätzlich von einem berechtigten Interesse gedeckt, sofern dieses Interesse der Rechtsordnung nicht im weitesten Sinne zuwiderlaufe. Dies sei jedenfalls für den Zeitraum, in welchem die Daten im Internet nach der gesetzgeberischen Wertung zugänglich seien (§ 3 InsOBekV) der Fall. Eine weitere Speicherung sei nach Ansicht des OLG Schleswig aber unzulässig. Konkret führt das Gericht in seiner Entscheidung aus:
*„Insbesondere aber stellt sich das Interesse der Beklagten an einer Verarbeitung der streitgegenständlichen Information mit Ablauf der Löschungsfrist in § 3 InsoBekV nicht mehr als berechtigt dar, da eine weitere Verarbeitung die normativen Vorgaben aus der InsoBekV unterlaufen würde […] Denn es liegt auf der Hand, das das Ziel, einem Schuldner nach Wohlverhaltensperiode und Erteilung der Restschuldbefreiung einen Neustart zu ermöglichen, durch eine weitere Publizität der früheren Insolvenz erschwert wird (vgl. Heyer, ZVI 2019, 45, 46). Die Verarbeitung durch die Beklagte nach Löschung der Informationen aus dem Insolvenzbekanntmachungsportal steht damit im Widerspruch zur Rechtsordnung und ist daher nicht berechtigt im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit f) DSGVO.*“
Das Gericht stellt sodann darauf ab, dass eine Verarbeitung der Daten nur im Einklang mit der einzig gesetzgeberischen Entscheidung, also der Löschfrist bezüglich der Insolvenzbekanntmachung, verarbeitet werden dürfen. Der Gesetzgeber habe in einem Gesetzgebungsverfahren zwar eruiert, ob die Speicherfrist für das Merkmal auf ein Jahr verlängert werden solle. Von dieser Möglichkeit habe der Gesetzgeber aber bislang keinen Gebrauch gemacht.
Letztlich begründet das Gericht ausgiebig, warum die Entscheidungen zum alten Bundesdatenschutzrecht gerade nicht auf die aktuelle Rechtslage unter der DSGVO übertragbar seien, die berechtigten Interessen eines Dritten an der Wertung nichts ändern würden und insbesondere, dass der Verhaltenskodex mit seinen Speicher- und Löschfristen keine Erlaubniswirkung für die Datenverarbeitung als solche begründen könne. Vielmehr könne der „*Betroffene auch bei Einhaltung der Verhaltensregeln Löschungsansprüche gegen Verantwortliche nach Art. 17 Abs. 1 lit d) DSGVO geltend machen.“*
**Wie kann das Merkmal der Restschuldbefreiung zur Löschung gebracht werden?**
Für Betroffene ist zunächst wichtig, dass es sich zunächst um einen Löschanspruch handelt, welcher bei der Auskunftei geltend gemacht werden muss. Da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist und keine automatische Allgemeinwirkung hat, müssen diese Ansprüche aktiv geltend gemacht und durchgesetzt werden.
Bei der Durchsetzung der Ansprüche kann Ihnen eine spezialisierte Anwaltskanzlei behilflich sein. Bei der Beauftragung ist jedoch darauf zu achten, dass die Kanzlei tatsächlich eine Expertise auf dem entsprechenden Rechtsgebiet hat und nicht nur eine schnelle und problemlose Durchsetzung der Ansprüche verspricht.
In vielen Fällen dürfte auch nach der Geltendmachung eines Löschanspruchs ein weiteres Verfahren notwendig werden. Dies ist oft mit einem erheblichen Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Es kann sich daher lohnen, den Fall über einen Rechtsschutzversicherer abzuwickeln.
**Abschließende Einschätzung**
Die Rechtsanwälte Dr. Sven Tintemann und Dr. Raphael Rohrmoser aus der Kanzlei AdvoAdvice Rechtsanwälte in Berlin zeigen sich sehr erfreut über das Urteil.
Anwalt Dr. Tintemann betreut Verfahren in diesem Themenkomplex bereits seit 10 Jahren und wies schon 2012 auf die enormen Bedenken bezüglich der Speicherung des Merkmals der Restschuldbefreiung hin.
Dr. Raphael Rohrmoser promovierte in diesem Themenbereich (Datenverarbeitung der Schufa Holding AG unter der DSGVO und dem neuen BDSG). Er ist seit Februar 2021 Partner in der Kanzlei AdvoAdvice und arbeitet bereits in den Jahren zuvor mit Dr. Tintemann gemeinsam an Fällen im Auskunfteienbereich.
Dr. Rohrmoser nahm auch die mündliche Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Schleswig per Videokonferenz nach § 128 a ZPO wahr und fasst diese zusammen:
*„Bereits in vielen Fällen wurden den Gerichten seit Einführung der DSGVO die Argumente zur Länge der Speicherfrist vorgelegt. Es festigte sich dabei der Eindruck, dass die meisten Gerichte sich ohne größeres Zögern, direkt oder indirekt, auf die Rechtslage vor Mai 2018 bezogen und die Wertung der Gerichtsentscheidungen aus diesem Zeitraum schlicht übernommen haben. Dabei haben die Gerichte aus unserer Sicht regelmäßig übersehen, dass sich der Bewertungsmaßstab geändert hatten und dass daher die Rechtsfragen neu zu bewerten sind. Für Betroffene kann dieses Urteil nach einer erteilten Restschuldbefreiung eine große Chance darstellen, um frühzeitig wieder vollständig rehabilitiert zu werden.“*
Sollten Sie Hilfe bei der Löschung des Merkmals der Restschuldbefreiung benötigen, können Sie sich gerne unter 030 / 921 000 40 oder info@advoadvice.de an unsere Kanzlei wenden. Gerne klären wir die Kostenfrage im Anschluss an eine kostenfreie Ersteinschätzung mit Ihnen sowie einer hoffentlich vorhandenen Rechtsschutzversicherung ab.
Weitere Informationen zur Löschung des Merkmals „Restschuldbefreiung erteilt, finden Sie unter advoadvice.de/anwalt-fuer/schufa-restschuldbefreiung.